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Klimaresiliente Bäume

Berühmte letzte Worte in Zeiten des Klimawandels

des Wanderers: "Der Baum hat kein Totholz."

Unbekannt

„Stell dir vor, Bäume würden gratis WLAN aussenden. Wir würden sie überall pflanzen. Ein Jammer, dass sie nur die Luft produzieren, die wir atmen .“

 

Klimaresiliente Bäume

Wenn das mal mit den Straßenbäumen der Zukunft so einfach wäre…

Immer wieder erreichen die Stadt Kleve Mails oder Briefe von Bürger*innen, die sich Sorgen machen um unsere Stadtbäume. Auch in Kleve wurde in den hiesigen Zeitungen über das Sterben der Bäume in Kleve berichtet. In den besagten Berichten wird u.a. erwähnt, dass zu der Frage nach dem optimalen, da klimaresilienten Straßenbaum der Zukunft geforscht und experimentiert wird, dass es aber noch keine abschließende Meinung gäbe, welche Bäume als Straßenbäume zukünftig sinnvollerweise zu pflanzen sind. Oftmals äußern Bürger*innen ihr Unverständnis über dieser Aussage, schließlich gäbe es doch die GALK-Straßenbaumliste (GartenAmtsLeiterKonferenz), von der die Verwaltung doch wissen müsste, da sie Städten und Gemeinden seit vielen Jahrzehnten Hinweise zu geeigneten Straßenbäumen gibt, und die sich seit einiger Zeit auch mit dem Thema „Klimaresilienz“ beschäftigt.

Diese Liste ist der Verwaltung natürlich bekannt, und wird auch seit Jahrzehnten zu Rate gezogen. Aber bei der Frage nach der Wahl des Straßenbaums der Zukunft ist die Antwort leider nicht mehr so einfach wie noch vor einigen Jahren, zumal die bisher angewandten Kriterien zur Auswahl von Straßenbäumen nach der GALK-Liste ökologische Kriterien nicht berücksichtigt. Erst in 2021 ist bei der Bewertung der Eignung von Straßenbäumen das Kriterium „Bienenweide“ in die Überlegungen einbezogen worden. Was auch nicht wirklich eine umfassende Darstellung ökologischer Leistungen von Bäumen darstellt. Man kann es an dieser Stelle ruhig schon einmal vorwegnehmen, die GALK-Straßenbaumliste kümmert sich in erster Linie um die Frage, welche Bäume für welche Standorte geeignet sind. Der ökologische Wert wird hier nicht oder nur sehr bedingt betrachtet. Was insbesondere die Natur- und Artenschützer zu entsprechender Kritik animiert.

Maßgebende Kriterien der GALK für die Beurteilung der Baumarten und -sorten für ihre Verwendung im städtischen Straßenraum sind vor allem:

  • morphologische und physiologische Eigenschaften (Wuchskraft, Kronen-, Stamm- und Wurzelbildung, Habitus, Lichtdurchlässigkeit u. a.),
  • Standortansprüche (Klima, Boden, Wasser, Lichtbedarf),
  • gärtnerischer Aufwand (Verbesserung der Wachstumsbedingungen, Pflegeaufwand)
  • Erfahrungen über Lebenserwartung, Widerstandsfähigkeit gegen Umweltbelastungen aller Art, extreme Wachstumsverhältnisse,
  • Verkehrssicherheit (Stand- und Bruchsicherheit),
  • Regionale Besonderheiten und Erfahrungen (auch regionale Einschränkung des Verwendungsbereiches),
  • Verwendungsmöglichkeiten für besondere Fälle.

Im Wesentlichen sind es also eher praktische Aspekte, die zu einer Listung in der GALK-Liste führen. Die Leistungen des Baumes für das Ökosystem spielen keine nennenswerte Rolle. Die Fragen, wieviel Sauerstoff produziert ein bestimmter Baum, wie viel Kohlenstoff speichert er, welche Menge Staub filtert er aus der Luft, bietet er einen Lebensraum für andere Pflanzen und Tiere, wieviel Wasser verdunstet er und ist der Baum Futterquelle für Vögel, Säugetiere und Insekten werden nicht in die Überlegungen einbezogen. Und genau dies macht die Frage nach dem „optimalen“ Straßenbaum so komplex.

Immer wieder wird von Bürger*innen und Bürgern der Amberbaum genannt, der doch als Straßenbaum der Zukunft scheinbar von allen Seiten gepriesen wird. Schauen wir uns also diese Baumart exemplarisch für viele andere einmal etwas genauer an. Der Amberbaum (Liquidambar styraciflua) wird seit mehr als hundert Jahren auch bei uns erfolgreich kultiviert. Weniger für die forstwirtschaftliche Nutzung als vielmehr als Zierbaum in Parks, Gärten und an Straßen. Das Gehölz, der im amerikanischen Volksmund "Sweet Gum" heißt, ist einer der häufigsten Bäume in den Wäldern der südlichen Regionen der Vereinigten Staaten. Und unbestritten wird dieser Baum durch seine Anpassungsfähigkeit immer wichtiger für unsere zukünftigen Planungen. Hitze und Trockenheit können dem Amberbaum nur wenig anhaben. Somit gehört er zu den Klimawandelgehölzen schlechthin. Auch kurzzeitige und massive Überschwemmungen scheinen diesem Gehölz in seiner Entwicklung nicht zu schaden. Auf solche Alleskönner sind wir in Zukunft angewiesen. Fairerweise muss man anmerken, dass er in rauen Lagen frostempfindlich ist. So oder in ähnlicher Form kann man es in den Katalogen der Baumschulen allerorten nachlesen. Nicht erwähnt wird aber z.B., dass der Amberbaum in seiner amerikanischen Heimat über 40 Meter groß werden kann, in Mitteleuropa schafft er gerade mal 15-20 Meter. So richtig wohl zu fühlen scheint der Baum sich hier also nicht. Aber wer möchte auch schon einen Baum vor seiner Haustür stehen haben, der 40 Meter hoch ist, weshalb auch zwischenzeitlich eine große Zahl an Cultivaren mit den unterschiedlichsten Wuchshöhen, Blattformen und Blattfarben gezüchtet worden sind. Was dem Menschen nicht passt, wird passend gezüchtet.

Aber auch das ist nicht das eigentliche Problem. Das Problem ist, dass er nicht heimisch, sondern ein sogenannter Exot ist, wie Pflanzen gemeinhin genannt werden, die hier im wahrsten Sinne des Wortes von anderen Kontinenten kommend hin verpflanzt werden. Auf einheimische Gehölze haben sich die hiesigen Vögel, Säuger und Insekten im Laufe zehntausender Jahre angepasst. Jeder heimische Baum ist unabdingbarer Bestandteil der jeweiligen hiesigen Ökosysteme. Exoten verhalten sich hier ein bisschen wie Langzeiturlauber auf Mallorca in ihren Urlaubskolonien. Sie integrieren sich nicht und bleiben Fremdkörper, von denen die einheimische Bevölkerung nicht viel hat. Und manchmal werden es so viele, dass die Einheimischen sogar verdrängt werden.

„Es greift zu kurz, ein Gehölz nur nach seiner Blüte oder seinen Früchten zu beurteilen“, erklärt der NABU, „chinesischer Schmetterlingsflieder bietet zwar viel Nektar, aber keine hiesige Raupe frisst an ihm und ohne Raupen keine Schmetterlinge.“ Die Beziehungsgeflechte der Ökosysteme seien immer noch kaum erforscht, da verbieten sich Experimente selbst unter dem Deckmantel des Klimawandels.

Es sei ein Irrweg, auf vermeintlich dürrefeste Gehölze aus fernen Ländern zu setzen. „Es gibt genug Beispiele für exotische Modegehölze, die aber so richtig in die Hose gegangen sind“, betont der NABU. Von Weymouthskiefern und dem Blasenrost-Pilz über invasive Traubenkirschen bis zum wuchernden Götterbaum haben unbedacht gepflanzte Exoten vielfach mehr Probleme mit sich gebracht, als sie lösen sollten. In Zeiten des Artenschwundes sollten Exoten, wenn überhaupt, nur auf Extremstandorten ohne andere Möglichkeiten gepflanzt werden, fordern die Naturschützer.

„In Mitteleuropa gibt es noch nicht einmal nähere Verwandte des Amberbaumes, weshalb unsere Insektenwelt keine Vorerfahrungen mit halbwegs ähnlichen Pflanzen hat. Wenn, dann gehen da nur ein paar hartgesottene Allerweltsarten dran“, schildert der NABU das Problem seit Jahren.

Überspitzt könnte man also sagen, der Amberbaum hat hierzulande keinen großen ökologischen Wert insbesondere in Bezug auf den Artenschutz, zumal er in den ersten Jahren auch eher schwachwüchsig ist. Wenn er dann mal groß ist, nisten eventuell ein paar Allerweltsvogelarten in seiner Krone. Das also eine weit verbreitete Meinung von Naturschützern, die sich ja eigentlich vehement für Grün in der Stadt einsetzen müssten und dies auch in aller Regel tun, aber eben mit Verstand unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit.

Nehmen wir als Gegenbeispiel mal die Eiche. Unbestritten eine heimische Art, geliebt und verehrt. Grundsätzlich ist ein Baum Lebensraum und Lebensgrundlage für eine unglaubliche Anzahl von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Die Eiche ist da keine Ausnahme. Viele Tiernamen deuten schon darauf hin, wie eng der Zusammenhang zwischen Baum und Tier ist. Das Laub von Eichen gilt in der Tierwelt als besonders schmackhaft. Viele Arten wie etwa der Eichenprozessionsspinner leben ausschließlich von Eichenlaub. Viele Menschen werden jetzt sofort sagen, ja den braucht doch kein Mensch, das ist doch die Raupe mit diesen giftigen Härchen. Einfach gedacht richtig, im größeren Kontext allerdings die falsche Denkweise, da eben alles in der Natur zusammenhängt. Aber wenn die Nützlichkeit oder Schädlichkeit für den Menschen schon ein Kriterium für viele Menschen ist, wie sieht es dann aus mit dem Eichelhäher? Oder dem Eichhörnchen? Auch hier zeigen die Namen deutlich die enge Bindung an die Eiche. Ist uns das auch egal, wenn sie aus unseren Gärten verschwinden würden? Was ist mit dem Eichenheldbock, dem Eichenwidderbock, dem Eichenzangenbock, dem Eichenzipfelfalter, dem großen Eichenkarmin, der Eichengallwespe, dem Eichelbohrer oder dem Eichensporling? Noch nie gehört? Das sind nur einige wenige Arten, deren Existenz von dem Vorhandensein von Eichen abhängt, von denen aber wiederum eine nicht zu überschauende Zahl an Tieren und Pflanzen abhängig sind. Mehr als die Hälfte jener Käferarten, die bereits in den Urwäldern Deutschlands zu Hause waren, nutzen auch heute noch die Eiche als Heimstatt. Experten zählten auf einer einzigen Traubeneiche in Baden-Württemberg 175 Flechtenspezies, fast ein Zehntel der gesamten Flechtenflora Mitteleuropas.

Die Krone bietet zahlreichen Vogelarten Nistplätze, Spechte meißeln teils mehrgeschossige Höhlensysteme in den Stamm, die Borke mit ihrem ausgeprägten Relief ist ideal für Spinnen. In Astgabeln bilden sich kleine Wasserpools, in denen Mückenlarven leben, die wiederum verschiedenen anderen Insekten als Nahrung dienen. Die Eiche ist ein unübertroffenes Reservoir der Vielfalt, so der Pflanzenökologe Rainer Wirth. Doch warum ist das so? Ein Grund dafür ist sicher ihre Entwicklungsgeschichte. Die Eiche kehrte nach der Eiszeit früher als andere Arten ins auftauende Gebiet des heutigen Europas zurück, nämlich bereits vor rund 14.000 Jahren. Die Rotbuche hingegen verbreitete sich in Mitteleuropa vermehrt erst etwa 7.000 Jahre später und gilt deshalb auch als vergleichsweise artenarm. Dieser zeitliche Vorsprung verschaffte der Eiche auch einen evolutionären Vorteil. Viele Tiere und Pflanzen passten sich ihrer Lebensweise an, wurden quasi zu Spezialisten in Sachen Eiche.

Eicheln sind sehr nahrhaft, was sich übrigens nicht nur im Tierreich rumgesprochen hat. Rehe, Hirsche, Wildschweine, Waschbären, Eichelhäher und Eichhörnchen schätzen die Früchte der Eiche genauso, wie sie früher der Mensch geschätzt hat. Entzieht man der Eichel durch Auswaschung die Gerbstoffe, so sind sie auch für den Menschen genießbar. Gerade in der Nachkriegszeit waren Eichelbrot und koffeinfreier Kaffeeersatz aus Eicheln übliche Nahrungsmittel.

Und auch wenn heute dieses Wissen weitestgehend nicht mehr vorhanden ist, und auch wenn nur wenige Hirsche, Rehe oder Wildschweine sich an den Eicheln eines Straßenbaums in der Stadt laben werden, da diese eher scheue Waldtiere sind, so zeigt sich doch die Problematik. Der Mensch neigt zu einfachen Lösungen. Wenn der eine Baum nicht mehr funktioniert, weil es zu warm oder zu trocken wird, dann muss halt der Baum ausgetauscht werden. Aber haben wir dadurch das Problem tatsächlich gelöst, oder sehe ich nur nicht die Probleme, die ich mit so einer Vorgehensweise heraufbeschwöre oder provoziere?

Die Gläubigkeit des Menschen, der Natur mit einfachen Lösungen ein Schnippchen schlagen zu können, ist bemerkenswert. Aber hat uns nicht gerade diese Denkweise, dass der Mensch die Natur beherrschen kann, an den Punkt gebracht, an dem wir jetzt sind? Haben wir nicht zu lange daran geglaubt, dass der Verstand des Menschen und seine technischen Möglichkeiten und Fertigkeiten die Probleme schon lösen werden? Hat nicht genau dieses Denken dazu geführt, dass die Probleme sich nur nach hinten verschoben, dafür aber potenziert haben?

Natürlich können wir ab sofort nur noch Amberbäume in Städten pflanzen. Und sicherlich finden wir auch noch ein paar andere Baumarten, die klimaresilienter sind als die heimischen Arten. Sonst züchten wir sie eben. So vermeiden wir zumindest reine Monokulturen in unseren Städten, da diese ja nun auch aus verschiedenen Gründen problematisch sind. Und wenn die Amberbäume Probleme bekommen, dann pflanzen wir eben Palmen oder Kakteen, die sind mit Sicherheit noch hitzeresistenter. Klar, das ist eine bewusste Übertreibung, zeigt aber wohl am deutlichsten das Problem.

Ja, uns bleibt nichts Anderes übrig, als uns und unsere Umwelt dem Klimawandel anzupassen, denn den können wir kurzfristig nicht mehr aufhalten. Aber wir sollten dieses Mal klüger an die Sache gehen, einfach und allein schon aus dem Grund, weil wir vieles heute besser wissen als noch vor einigen Jahrzehnten. Natürlich brauchen wir Bäume in unseren Städten, allein schon um diese Stein- und Betonwüsten abzukühlen, damit weiterhin dort auch Menschen leben können. Ob es aber unbedingt Exoten sein müssen, oder ob wir nicht Sorge dafür tragen sollten, dass unsere heimischen Bäume weiterhin in unseren Städten leben können, ist die große Frage, die noch weiter diskutiert werden muss. Gründe gibt es für beide Alternativen, und bekanntlich muss ja nicht ein Weg den anderen ausschließen.

Zukunft - Umwelt - Gesellschaft (ZUG) gGmbH